
von Martina Pahr
Warst du heute schon im Wald? Unter den ehrfurchtgebietenden Bäumen mit ihren frischen Blättern in hundert Nuancen von Grün, die sich jetzt in ihrer vollen Lebensfülle präsentieren? Hast du die Reinheit seiner Luft in dich eingeatmet, seinen Melodien gelauscht, seine Düfte gerochen? Hast du heute schon ein Blatt gestreichelt oder gar einen Baum umarmt? Für dieses Hobby verhöhnen die Briten ihren Prince Charles ganz gern – allerdings immer weniger, seit er kontinuierlich durch ökologisch nachhaltige Projekte überzeugt.
Der Wald – so er denn kein „Baumacker“ ist, sondern echter, gewachsener Lebensraum – ist ein Reich für sich. Ein Reich, in dem immer mehr Menschen etwas finden, von dem sie vielleicht gar nicht wussten, dass sie es suchen: Ruhe, Entspannung, Verbundenheit, neue Energie und sogar Heilung. Der Wald hat die Menschen schon immer angezogen: als Lebensgrundlage und Rohstoffquelle mit Früchten, Tieren und Holz. Als Kraftort und Schutzraum und auch als Projektionsfläche für Magie und Mystik, für Anderswelten und Wesenheiten. Heute hat er eine neue Bedeutung als „Naherholungsgebiet“. Was für ein kantiger Ausdruck für einen Ort, dessen spezielle Energie uns rundum guttut … in einem Ausmaß, der überraschen mag.
Warum uns der Wald gut tut
Forstwissenschaftler Simon Abeln, für den der Wald „der schönste Ort der Welt“ ist, nennt gleich 111 Gründe, weshalb er ihn so liebt. Er vermittelt interessantes Wissen über dessen Flora und Fauna. Und über seinen Platz in unserer Geschichte und Kultur, wenn er von Dachsbauten und warzigen Kröten schreibt. Von der deutschen Eiche und dem heiligen Hubertus. Vom Wintergoldhähnchen und dem Gelben Frauenschuh. Von der grünen Lunge und dem Liebeszauber unter Mistelzweigen, von Nachhaltigkeit und Erholungswert. Und er beschreibt ihn auch als einen Ort des Rückzugs, der unmittelbar auf unsere Stimmung einwirkt und uns eindrucksvoll den ewigen Kreislauf des Lebens vermittelt.
Als 63. Grund, den Wald zu lieben, nennt Abeln, dass uns die uralten, mächtigen Bäume Demut lehren und eine Lektion über die eigene Vergänglichkeit erteilen können. Doch es ist „nicht nur der alte Baum, der Wertschätzung verdient, sondern der Wald in seiner Gesamtheit“: Das gelungene Zusammenspiel von Pflanzen und Tieren lässt diesen einzigartigen Ort entstehen, der uns Schönheit und Gesundheit schenkt und ein steter „Quell der Freude“ ist.
Waldtherapie für Körper und Seele
Werner Buchberger nennt den Wald „das größte Therapiezentrum für Körper, Geist und Seele“, das hierzulande erfreulicherweise meist nicht weit entfernt zu finden ist. Der Förster schreibt von seiner eigenen Entdeckung des „feinstofflichen, geistigen Charakters“ des Waldes im Buch „Waldbaden“. Dabei handelt es sich um mehr als bloßes Spazierengehen. Die japanische Kunst „Shinrin Yoku“ ist ein Eintauchen in die Welt des Waldes voll Achtsamkeit und mit allen Sinnen, bei dem der Alltagsverstand ausschaltet wird. Bäume, so Buchberger, haben ein individuelles Bewusstsein und können mit dem menschlichen Organismus im feinstofflichen Bereich kommunizieren. So erhalten wir jenseits aller Schulweisheit Botschaften, die wir mit dem Herzen verstehen. Wir können uns mit unserem Schatten versöhnen und die Anwesenheit von Naturwesen und Pflanzengeistern erspüren. Und uns in der Meditation auf eine tiefe, innige Weise mit der Energie des Waldes verbinden.
Aus welche Weise diese Verbindung heilend wirken kann, legt Clemens G. Arvay in „Der Biophilia-Effekt“ dar. Der Begriff wurde vom Psycholanalytiker und Philosophen Erich Fromm geprägt und bezeichnet die Liebe zur Natur, zum Lebenden. Altes Wissen, das auch Hildegard von Bingen ansprach, wird heute wissenschaftlich bestätigt: die Interaktion zwischen Pflanzen und Menschen, die man durchaus als „Kommunikation“ bezeichnen kann. „Das Prinzip des Lebens, das sich in der Natur ausdrückt, lässt uns vorbehaltlos an der Lebenskraft teilhaben, die auch uns selbst durchdringt“, schreibt Arvay.
Die Waldmedizin
Das gesundheitliche Potenzial des Waldes ist so groß, dass vor wenigen Jahren dafür an japanischen Universitäten eigens der Forschungszweig der „Waldmedizin“ eingerichtet wurde. Ein Waldbesuch wirkt nicht nur deshalb, weil er uns eine Auszeit von der dicht gedrängten menschlichen Gesellschaft, ihrem Lärm und unserem Alltag ermöglicht. Pflanzen geben chemische Substanzen ab. Oft in Form von Duftstoffen, mit denen sie Schädlinge abwehren, Nützlinge anlocken oder andere Pflanzen warnen. Und die direkt auf unser Immunsystem wirken. Durch einen Waldbesuch werden die „Killerzellen“ in unserem Immunsystem mehr und aktiver. So senkt sich erhöhter Blutdruck, verlangsamt sich die Herzfrequenz, Schmerzen werden gelindert. Eine Regeneration wird beschleunigt und auch Diabetes kann bekämpft werden.
Allein dadurch, dass wir im Wald dem alltäglichen Stress entkommen, tun wir uns unglaublich viel Gutes. Unser limbisches System und unser „Reptiliengehirn“, das eine ist für Gefühle, das andere für Reaktionen wie „Flucht oder Kampf“ zuständig, entspannt in dieser Umgebung. Beide Zentren in unserem Gehirn sind am Prozess psychischer Erkrankungen beteiligt. Und so können Entwicklungen durch Aufenthalte im Wald positiv beeinflusst werden. Der Wald wirkt auf den Körper wie auch auf unsere Psyche und steigert die Vitalität beider Ebenen. Der Biophilia-Effekt, der durch Visualisierungen verstärkt werden kann, lässt man im kleinen Maßstab auch im eigenen Garten imitieren oder im Stadtpark erfahren. Doch besonders nachhaltig ist er natürlich in der freien Wildnis…
Quelle und weiter: https://www.sein.de/wald-tut-uns-gut/
Die meisten Wälder hier in Deutschland sind in Wahrheit >Baumplantagen< – so wie hier im Pfälzer Wald.; aber es ist trotzdem schön, dort zu verweilen. Kleinere Refugien sind relativ unberührt-immerhin.